Das Zeichen der Lübecker Freimaurer "Zur Weltkugel".

Loge zur Weltkugel

Freimaurer in Lübeck

Freiheit, Gleichheit, Toleranz und Menschlichkeit leben

11. Juli 2025

Ein Beitrag von Lennart Steen, gerichtet an die Freimaurer der Loge. Hier zum Nachlesen.

“Wie selten zuvor in der Geschichte unseres Landes bestimmen derzeit große politische Auseinandersetzungen unsere Gesellschaft. Es geht um Migration, äußere und innere Sicherheit, Staatsverschuldung und Zukunftsängste, um nur einige der Topthemen zu nennen. Mancher von uns vermisst dabei an der Sache orientierte Diskurse, beklagt das sprichwörtliche Verbeißen in dogmatische Positionen und das Abwerten von Ansichten und Haltungen, die mit den eigenen nicht übereinstimmen – und dies nicht nur in der Politik, sondern auch bei Bekannten und Freunden, selbst in der Familie und auch manchmal bei Brüdern.

Wirkmächtige Gefühle, Angst und Wut auf „die da oben“ sowie der Eindruck, nicht gehört und ernst genommen zu werden, mischen sich nicht selten zu einem toxischen Cocktail. Wenn dann ein „Meinungsaustausch“ überwiegend in einer ebenso tickenden Meinungsblase geschieht, verstärken sich Haltungen und Ansichten mit dem Ergebnis, dass sich die in der Echokammer Befindlichen von den vermeintlich unbelehrbaren, „dummen Schafen“ rigoros abgrenzen und diese abwerten. Aber auch, wenn es nicht so weit kommt, ist nach meiner Wahrnehmung der Austausch unterschiedlicher Meinungen – und dies beileibe nicht nur bei politischen Themen – in zunehmendem Maße getrübt.

Als Freimaurer können wir diese gesellschaftliche Entwicklung nicht durchgreifend ändern. Wir können uns aber um eine eigene fundierte Meinungsbildung und einen Diskurs auf der Wasserwaage, also auf gleicher Augenhöhe bemühen. Hierzu scheint es mir hilfreich, abweichende Meinungen nicht sofort als bedrohlich zu empfinden oder diese als unqualifiziert beziehungsweise grotesk abzuwerten. Vielmehr kann der Einstieg in eine konstruktive Debatte darin bestehen, zunächst einmal zu versuchen, den Anderen zu begreifen. Dazu muss man zuhören und nachfragen können. Und man sollte nicht schon über seine Antwort nachdenken, während der Andere noch redet. Ebenso gehört dazu, den Anderen ausreden zu lassen und nicht zu unterbrechen. Ich weiß, dass ein solches Gespräch nur gelingen kann, wenn alle Beteiligten diese Regeln einhalten. Es kann durchaus helfen, dies vom Gesprächspartner in freundlichem aber bestimmtem Ton einzufordern. Wir sollten zudem beherzigen, dass Toleranz in dem eigenen Verdacht besteht, der Andere könnte auch recht haben. Oder anders formuliert: Meinungen müssen sich im Laufe eines Gespräches und im Lichte neuer Informationen ändern können. Dies ist keine Schwäche, sondern kann eine intellektuelle und emotionale Stärke sein.

Hin und wieder ist es geschehen, dass ich mir eine Meinung anhörte, die auf Tatsachenbehauptungen beruhte, die sich dann als unvollständig, wenn nicht sogar als unzutreffend herausstellten. Gerne werden  dann sehr einfache Antworten auf sehr komplexe Sachverhalte gegeben. Nicht wenige Menschen sehen Zusammenhänge, wo es keine gibt, überschätzen ihr eigenes Faktenwissen eklatant oder haben eine verfestigte Meinung, ohne die Fakten in ausreichendem Maße zu kennen. Zugegebenermaßen sind viele politische und gesellschaftliche Sachverhalte komplex. Eine nachvollziehbare und substanzielle Bewertung sollte sich aber auf nachprüfbare und zutreffende Tatsachen stützen. Als Freimaurer sollten wir selbst wahrhaftig bleiben. Wir sollten die Fakten ergründen, mit  Tatsachenbehauptungen wohlwollend kritisch umgehen und unseren Verstand bemühen. Dazu gehört auch das Eingeständnis zu sagen „Ich weiß es (noch) nicht“ oder „Darüber muss ich noch weiter nachdenken“, bevor ich vorschnell etwas behaupte oder bewerte. Vor allem aber sollten wir uns um Ehrlichkeit und Wahrheit im Miteinander und zu uns selbst bemühen.

Unsere Rituale bieten an zahlreichen Stellen Hinweise zum Umgang mit dem Begriff der Wahrheit.

Wahrheit aber gibt es nur zu Zweien. So wollen wir in der Loge weiterhin gemeinsam als Brüder miteinander diskutieren, Impulse zur eigenen sittlichen Vervollkommnung geben und zusammen den Weg zum Licht beschreiten. Die Kerzengespräche, Diskussionsabende und Besprechungen der Zeichnungen sind hierfür wunderbare Formate. Bei all den unterschiedlichen eigenen Wahrheiten, den verschiedenen individuellen Auffassungen und Meinungen sollten wir aber nie vergessen, dass wir als Freimaurer in unseren Haltungen, Worten und Taten stets unseren Idealen von Freiheit, Gleichheit, Toleranz, Menschlichkeit und Brüderlichkeit verpflichtet bleiben müssen.”