10. Juli 2024
Am 21. Juni begingen wir wie in jedem Jahr das Johannisfest im mit Rosen geschmückten Lübecker Logenhaus. Doch warum machen Freimaurer das eigentlich?
Wer mag, kann hier nachforschen:
Wir feiern heute unser Johannisfest, das Fest Johannes des Täufers, Schutzpatron der Johannis-Maurerei.
Johannes der Täufer war eine bedeutende Figur im Neuen Testament, der für seine Bußpredigten und für das Warten auf die Ankunft des Messias bekannt war. Seine Entschlossenheit, seine Botschaft zu verkünden, und sein karges Leben in der Wüste zeigen uns, wie wichtig es ist, seinen Überzeugungen treu zu bleiben, selbst wenn es unpopulär ist.
Johannes wurde in einer Zeit geboren, die von politischer Unruhe und spiritueller Sehnsucht geprägt war. Das Volk Israel sehnte sich nach einem Befreier, einem Messias, der ihre Unterdrückung beenden und ihnen Erlösung bringen würde. In diese Zeit trat Johannes, mit einer Mission, die größer war als sein eigenes Leben.
Sein Ruf hallte durch die Wüste Judäas, weit entfernt von den prächtigen Palästen und dem Trubel der Städte. Als eine Stimme in der Wüste verkündigte er eine einfache Botschaft: “Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!” Seine Worte waren kraftvoll und unmissverständlich, und sie zogen Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft an. Johannes war nicht nur ein Bußprediger; er war auch ein Vorläufer, der darauf hinwies, dass der Messias nahte. Als er Jesus taufte, erkannte er in ihm den Verheißenen, den Erlöser der Welt. Seine Worte “Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!” zeugen von seiner tiefen spirituellen Einsicht und seinem Glauben an die göttliche Mission Jesu.
Johannes Leben endete tragisch, als er wegen seiner Kritik an der Ehe des Königs Herodes gefangen genommen und schließlich enthauptet wurde. Doch sein Vermächtnis lebt weiter. Seine Standhaftigkeit, seine Hingabe an Gott und seine Bereitschaft, für die Wahrheit einzustehen, machen ihn zu einem inspirierenden Beispiel der Pflichterfüllung gerade auch für uns Freimaurer.
Heute, in einer Welt, die von Ablenkungen und Oberflächlichkeiten geprägt ist, können wir viel von Johannes dem Täufer lernen. Seine Einfachheit, seine Entschlossenheit und seine spirituelle Tiefe erinnern uns daran, dass das wahre Glück nicht im äußeren Erfolg oder Reichtum liegt, sondern in dem Dienst an unseren Mitmenschen.
Möge die Geschichte von Johannes uns Brüder FM dazu ermutigen, unseren eigenen Weg der Humanität, Toleranz und Pflichterfüllung zu gehen, und uns daran erinnern, dass wir alle eine Stimme in der Wüste sein können, die die Botschaft von Glaube, Liebe und Hoffnung verkündet.
Wir Brüder Freimaurer dürfen im Sinne Johannes nicht nachlassen in unserem Bemühen um mehr Toleranz und Menschlichkeit, denn es finden sich nur zu schnell Gründe, dieses oder jenes nicht zu tun. Es ist unsere freimaurerische Pflicht, dem Mitmenschen fest die Hand zu reichen und zuzupacken, wenn es gilt, diese Forderungen zu realisieren.
Es ist an der Zeit, Johannes Aufforderung zu hören und es ist an der Zeit, dass wir Brüder uns klar machen, dass er damit eine Veränderung meinte, die in unserem Verhalten, in unserem Leben vor sich geht. Das muss in unseren Herzen geschehen und muss sich in unseren Taten zeigen. Johannes Forderung nach Gerechtigkeit sind radikal. Er verbindet seine Worte mit der Taufe, die das Abstreifen des alten Menschen bedeutet.
Unsere Tempelarbeiten fordern im Sinne Johannes dazu heraus, sich unserer ethischen Grundsätze und der ursprünglichen freimaurerischen Ziele unserer Rituale zu erinnern, sowie die Umsetzungspraxis kritisch auf mögliche Modifikationen zu überprüfen. Freimaurerei ist ein Kind der Aufklärungszeit und möglicherweise, gerade angesichts unserer schnelllebigen Zeit, schon etwas in die Jahre gekommen. Können unsere Wurzeln, von 1717 und die darin verankerten Ziele noch heute aktuell Nährboden unseres freimaurerischen Lebens sein? Praktizierte Freimaurerei ist farbig und wird von einer bunten Palette unterschiedlicher Schwerpunktsetzungen kreativ gespeist.
In der Tolerierung der Vielfalt der Wege zur Erreichung unserer Ziele liegt die Stärke unseres Bundes. Sowohl der Name Freimaurer als auch die internationale Organisationsstruktur machen deutlich, dass Freimaurerei nicht auf eng vorgegebene Ziele ausgerichtet werden kann, sondern vielmehr im Sinne Johannes ganz allgemein der Humanität, dem Gemeinwohl, der Menschheit in jeder Weise verpflichtet ist.
Die Zeit, in der wir leben, ist so unsicher wie lange nicht und die Mittelmäßigkeit ist dabei salonfähig zu werden. Dazu kommt eine zunehmende Orientierungslosigkeit, überall ist Unordnung zu sehen. Überall fehlen die „Vorbilder“, die Menschen zur Orientierung brauchen. Überall fehlen gute Standpunkte, Antworten auf die brennenden Fragen der Zeit, Antworten, die klar und ehrlich sind und die Vorbildfunktion haben können.
Unserer Zeit fehlt es an Moral! Materialismus, Egoismus bestimmen das Leben weitestgehend. Ist uns dabei nicht die sittliche Grundlage unserer Gemeinschaft unversehens abhandengekommen? Die große geistige Leere unserer Zeit, die alle überkommenden Werte in Frage stellt, die hemmungslose Bedenkenlosigkeit mit dem Materialismus und Ellenbogengesellschaft praktiziert werden, der nackte Egoismus, haben uns geistig verarmen lassen.
Wenn wir, anstatt schlechthin jeder sogenannten Progressivität zu akklamieren, zum besonnenen Wagnis bereit sind. Wenn wir zur Abwendung von jeglicher Form der Gleichgültigkeit und des Egoismus entschlossen sind und diese, sofern wir sie nicht verhindern können, doch in unserem Einwirkungsbereich nicht zulassen, werden wir uns mit jedem einzelnen und jeder Gruppe verständigen können, auf dessen Einverständnis wir Wert legen müssen.
Damit sind freimaurerische Ziele, “die Grundsätze eines guten Staatswesens und guten Bürgersinns zu fördern” ebenso angesprochen, wie die Verpflichtung der Brüder, “aktiv für die bürgerliche, kulturelle, soziale und allgemeine Entwicklung der Gesellschaft einzutreten”.
Wenn wir uns glaubwürdig machen wollen, sollten wir die Unbefangenheit zurückgewinnen, zu sagen, warum unsere Welt so geworden ist, wie sie sich heute darstellt. Wir sollten die Realität der Voraussetzungen und Ereignisse, die uns geprägt haben, nicht leugnen, und die an sich heilsame Infragestellung unseres Denkens und Handelns nicht bis zur Zerstörung der Grundlagen kommen lassen, aus denen heraus wir schließlich auch zu positiven Ergebnissen gelangt sind, wozu wir unsere tätige Verbundenheit, im freimaurerischen Sinne, rechnen.
Trotzdem haben wir heute einen Zustand, von dem Johannes der Täufer nur träumen konnte. Aber ist heute wirklich alles zum Besten bestellt? Haben wir in allem Menschlichkeit erreicht und eine menschliche Gesellschaft? Wenn wir uns und die Welt betrachten, gibt es noch viel zu tun. Goethe schrieb: “Es ist nicht genug zu wissen, man muss es auch anwenden; es ist nicht genug zu wollen, man muss es auch tun.” Menschlichkeit erstreben ist eine ständige Aufgabe.
Die Freimaurerei kann sich daher nicht in einen Elfenbeinturm zurückziehen und sich Gedankenspielen hingeben.
Grundlegend für sie ist, sich der gesellschaftlichen und damit der politischen, karitativen und erzieherischen Dimension ihres Zieles bewusst zu sein und zur Tat zu schreiten, um des Gesetzes willen, nach dem sie angetreten ist.
Hier sehe ich einen möglichen Ansatzpunkt, meine Brüder. Wir müssen wieder Aufklärung betreiben wie Johannes, aber auch wie unsere Altvordern vor über 300 Jahren, aber in einem anderen Sinne. Wir müssen die Gefährdungen unserer Zeit deutlich machen.
Die Ängste der Menschen ansprechen und ihnen freimaurerische Ideale gegenüberstellen, den Menschen zeigen, dass es sich lohnt, Freimaurer zu sein, weil Bruder sein mehr ist, als Reichtum und Wohlstand anzuhäufen.
Darum ist es wichtig, dass wir diskutieren und Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Wir Maurer werden den Geist unserer Zeit selbstverständlich nicht durch Aufrufe oder große Reden ändern; dafür ist unsere Zahl zu klein und uns fehlt das Publikum. Ändern können wir nur etwas, indem wir vorleben, unsere Ideale vertreten, Vorbild sind, uns in unseren Auffassungen nicht beirren lassen und sie auch nach außen vertreten.
Die Logen der Zukunft werden mehr sein, ja mehr sein müssen, als Geselligkeitsvereine mit Brauchtumspflege. Sie werden mit der ganzen Faszination und Überzeugungskraft ihres alten Rituals, dem Willen zur Vernunft, neue Freiräume der Bewährung erschließen. Uns geht es nicht um Grenzen, uns geht es um neue Horizonte. Den zerstörerischen Ideologien der Gegenwart setzen wir geduldig und beharrlich unsere uralte Idee des Bauens, des Fügens von Stein auf Stein entgegen.
Liebe Brüder, über 2000 Jahre ist es her, dass Johannes, den man den Täufer nennt, als Prediger am Jordan auftrat und die Menschen zur Umkehr aufrief. Wieder einmal werden wir erinnert an die Aufforderung, die er an uns heranträgt: “Meta Noeite“, „ändert euren Sinn!
Dazu brauchen wir den Mut zu neuen Wegen und werden richtige Antworten nur dann finden können, wenn wir sie gemeinsam ernsthaft suchen.
So wird der Johannistag zum Tag der Erlösung und Reinigung für uns Brüder, die Hoffnung zu stärken, Winkelmaß und Zirkel an unser Wirken anzulegen, an uns selbst zu arbeiten.
Johannesfest, meine Brüder, ist Einkehr, Besinnung und Freude. Freude darüber, dass wir an dieser Festarbeit uns dessen wieder bewusstwerden, woher unsere geistigen Quellen fließen und welche Pflichten wir in brüderlicher Gemeinschaft haben.
Heute zur Johannesfeier beginnt ein neues Logen-Jahr und der damit verbundene Abschluss des Alten bietet die Gelegenheit zu Abschluss und Neuanfang auch in unseren Herzen. Es ist eine erstklassige Gelegenheit, die Worte Johannes des Täufers zu hören, ernst zu nehmen und nach ihnen zu handeln.
Die Geschichte von Johannes erinnert uns daran, dass es in jeder Epoche Menschen gab und gibt, die wie eine Stimme in der Wüste sind – Menschen, die die Wahrheit verkünden und die Herzen der Menschen bewegen.
Möge sein Beispiel uns dazu inspirieren, dem Ruf zur Umkehr zu folgen.