Das Zeichen der Lübecker Freimaurer "Zur Weltkugel".

Zur Weltkugel

Freimaurerloge in Lübeck

Johannisfest 2022

Festvortrag von Peter Sünnenwold zum Johannisfest der Loge zur Weltkugel am 24. Juni 2022.

„Von alters her feiern die Freimaurer am 24. Juni das Fest des Hl. Johannes des Täufers, als ihren Schutzpatron. In Schottland und Skandinavien wird auch am 27. Dezember das Fest des Hl. Johannes des Evangelisten begannen. In der englischen Großloge wurde zunächst an beiden Terminen ein Fest mit Umzug durch die Stadt (frei­maurerisch gekleidet) gefeiert. In unseren Arbeiten liegt auf dem Al­tar und in der dunklen Kammer die Bibel aufgeschlagen, Kap. 1 des Evan­geliums nach Johannes.

In den Heiligen Schriften wird über Johannes den Täufer erzählt: Seine El­tern Elisabeth und Zacharias waren bereits betagt, als Zacharias im Tem­pel der Erzengel Gabriel erschienen ist und ihm die Geburt seines Sohnes Jo­hannes verkündet hat. Zacharias woll­te dies nicht glauben, da seine Frau als unfruchtbar galt. Er verlangte von Gabriel ein Zeichen für die Wahrheit dieser Vor­hersage. Daraufhin ließ der Erzengel Zacharias bis zur Geburt von Johan­nes verstummen. Nach der Geburt sei­nes Sohnes konnte Zacharias mit wie­dererlangter Sprache Gott laut preisen.

Als Johannes circa 30 Jahre alt war, zog er in die Wüste, verkündete das Kom­men des Messias, forderte seine Zuhö­rer auf, Buße zu tun und taufte am Jor­dan die Büßer. Johannes verachtete alle Äußerlichkeit, war hart gegen sich selbst und lebte, was er lehrte. Er war nur einem zugewandt: Gott und dem Messias, der kommen musste als der Starke und Mächtige, der die Sünde aus dieser Welt tilgen würde und wieder Erlösung und Freude in die Welt bringt.

Und es kam der Höhepunkt im Leben des Johannes: Der, für den er lebte, predigte und wirkte, der kam zu ihm, nicht als Kriegsheld, nicht als Triumphator, sondern bescheiden und still, voller Bereitschaft das zu erfüllen, was sein Auftrag war.

Alle, die vorher zu Johannes gekommen waren, voller Demut sich zu wandeln und ein neues Leben zu führen, denen gab er ein Gleichnis, indem er die Unreinheit mit Wasser abwusch. Er taufte sie, nahm sie damit auf in den Bund derer, die sich erkannt hatten und wandeln wollten. Nun aber steht der vor ihm, an dem nichts reinzuwaschen war, der so hoch über ihm stand, dass der Täufer kein Wort der Buße sagen konnte, Jesus.

Das war der Höhepunkt im Leben des Johannes, unseres Schutz­patrons. Wie die Sonne nach dem Hochmittag wieder sinken muss, so versinkt auch die Aufgabe des Johannes, denn der ist gekommen, der größer ist als er und der nach ihm kommen sollte.

Wir, meine Brüder, sprechen gern vom Johannisfest als dem Rosenfest. So wie aber der Sommer vergeht, das Licht sinkt und die Rosen verblühen, so liegt auch der tiefste Sinn des Johannisfestes nicht in seinem sommerlichen Glanz. Auch das Leuchtende und Schöne muss sterben.

Johannes musste gehen, weil er einem Größeren Platz machen musste. Die Älteren treten mehr und mehr zurück, weil die Jüngeren nachrücken. Und darin liegt die Symbolik des Johannistages, an dem die Sonne am höchsten steht, dass unser Schutz­patron sterben musste, weil der Größere kam.

So gewinnen wir am Johannisfest die Überzeugung, dass nichts wirklich sterben kann. Es bleibt etwas, das weiter zeugend wirkt. Der Tod kann wohl das Leben überschatten, aber immer und alle Zeit ist das Leben stärker. Aus dem kahlen Zweig bricht im Frühling wieder leuchtendes Grün. Ein ewiges Gesetz, dem auch die Freimaurer im Meistergrad huldigen: Vergehendes verwandelt sich in Leben!

Die Rose wird als das Symbol der Reinheit, der Freude und der Liebe angesehen und das Johannisfest wird auch das Fest der Rosen genannt. Durch die Rosen, die auch als Symbol der Sonne empfunden werden, bekennen wir uns als solche Menschen, die zur Sonne, zum Licht streben. Aber es kann nicht genügen, die Rose nur als ein schönes Zeichen der Freude und des Lebens zu deuten. Dann würden wir beim Schein eines schönen Augenblicks verweilen und darüber vergessen, was danach kommt, wenn die Rosen verblühen und absterben.

Es gab einen Mysterienkult, in dem die Rose als Sinnbild der Vergänglichkeit und der Verklärung und endlich der Auferstehung galt. Die an den gotischen Kirchen zu sehenden sogenannten Lutherrosen erinnern daran. Der Kult aber war der des „Adon“, des Gottes der grünenden Natur, der von einem wilden Eber zu Tode zerfleischt wurde.

Darum begann in den Ländern des öst­lichen Mittelmeeres um den Johannistag ein Wehklagen um den erschlagenen Adon. Sein Blut soll die weiße Rose rot gefärbt haben, weshalb die Rose als Sinnbild dieses Gottes galt, der zwar begraben wurde, aber wieder auf Erden erschien.

Er ist getötet und begraben und kann doch nicht sterben. Als Samenkorn vergeht er, aber wenn seine Zeit gekommen ist, ersteht er wieder in vielfältiger Frucht.

Als Rose – als Same verwest, als neue Rose verklärt. So ist Tod und Wiedergeburt Grundgedanke aller Mysterien, und auch in unseren Allegorien bei Aufnahme und Meistererhebung spielt dies hinein.

Nun dürfen wir nicht glauben, dass in den Mysterien bei der Wiedergeburt an eine Rückkehr in die alte Form gedacht war. Ein ganz neuer Gedanke tritt hinzu: Der Tod ist das Tor zur Verklärung. Durch ihn schreitet der Mensch nicht hindurch, um wieder Mensch zu werden, sondern er wird durch den Tod selbst zum Gottes­kind. Der Same verklärt sich im Dunkel der Erde zur Rose.

Johannes der Täufer, Schutzpatron aller Freimaurer, stirbt zur Zeit der Sonnenwende, sein Lebenswerk ist erfüllt, der Same ist gelegt, der Größere ist gekommen. Es gilt nicht mehr die Sorge um ein Fortexistieren nach dem Tode, sondern die Gedanken sind ausgerichtet auf das Höhere, auf das Heil. Der Mensch will Reinheit, Vollkommenheit.

Aber bevor der Mensch als rein auferstehen kann, muss er Zeit seines Lebens danach gestrebt haben. Unser Ausdruck „Abberufen zu höherer Arbeit“ weist aus, dass unsere freimaurischen Vorfahren in diesem Sinn empfunden haben. Alle Sinnbilder, die auf die Vollkommenheit weisen, sind aber nichts Anderes als eben Sinnbilder, sind Ansporn und Weisung, mit dem ganzen Herzen sich dem Ziele zuzuwenden.

Vollkommen ist nichts. Aber das Höchste, das uns gegeben wurde, ist strebendes Bemühen. „Nur wer strebend sich bemüht, den können wir erlösen“ sprach der Täufer. Johannes wusste warum. Darum rief er seine Mitwelt zur Sinnesänderung und Umkehr, zum Streben nach Reinheit der Seele auf.

Er rief: „Es ist schon die Axt an die Wurzel gelegt. Welcher Baum nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen!“

Nur solche, die von einem guten Willen zum Täufer getrieben wurden, konnten die Taufe empfangen, das Sinnbild der Reinigung. In der Taufe stirbt der alte Mensch. Das Böse wird gleichsam abgewaschen und Reinigung und Wiedergeburt werden eins. Beides ist nur Sinnbild, ist Allegorie, aber doch Öffnung, Aufnahme, Weihe.

So wird der Johannistag zum Tag der Erlösung und Reinigung. Das angezündete Feuer verkündet weithin die Vernichtung des Bösen. Das Licht vom Hochmittag hat den Sieg errungen. Und dann fällt wieder alles zurück. Die Sonne verliert mehr und mehr an Macht, das Dunkle, Finstere wird wieder stärker und stärker.

Johannes wusste um seinen Tod. Darum weist er auf den hin, der nach ihm kommt: „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“

So machte er sein Leben zu einem Gleichnis, das uns als symbo­lische Waffe dienen kann, bis zum Anbruch eines neuen Zeitalters nach diesem zu streben, die Hoffnung zu stärken, Winkelmaß und Zirkel an unser Leben und Wirken anzulegen, an sich selbst zu arbeiten, damit diese Welt sich wenigstens zu unserem Teil bessere. Wir wollen als Freimaurer den Menschen zeigen, was wir der Gesellschaft schulden. Dazu benutzen wir keine Lehrsätze, sondern unbewusstes Erfahren, erlebendes Nachsinnen in der Abgeschlossenheit unserer Logenarbeiten. Freimaurerei ist weder Religion noch Philosophie, sondern wurzelt im Geist der jeweiligen Zeit, sie ist eine Gesinnungsgemeinschaft, und der ihr verhaftete Wille zur Form bewahrt uns vor unfruchtbarer Innerlichkeit.

Freimaurerei ist Lebensgestaltung. Wir wollen bei Anerkennung der Toleranz nicht nur dulden, sondern die Andersartigkeit anerkennen, damit die Vielfalt und die Dynamik erhalten bleiben.

So feiern wir heute keinen heldenhaften Johannes, sondern wir begehen unser Johannisfest, in Ehrfurcht vor Johannes dem Täufer, unserem Schutzpatron, und wir feiern, dass ge­rade in einer Zeit des Fundamentalismus, Glaube und Freimaurerei zusammengehören. Heute wissen wir als Freimaurer, ob christlich oder weltlich orientiert: Es ist gut, in Eintracht und Brüderlichkeit, in Gemeinsamkeit und in Gottvertrauen unsere Wege mit Mut und Zuversicht weiter zu ge­hen. Wir feiern mit unserem Johannisfest auch, dass wir eine Lerngeschichte der Freimaurerei haben und nicht im Jahre 1717 ste­hengeblieben sind.

Denn beherzigt: Wer etwas ändern will, der sollte es beizeiten tun. Habt also den Mut vieles zum Besseren zu verändern“! Brüderlichkeit und Logenverbundenheit in diesem Sinne weitere Jahrhunderte lebendig zu halten und hineinwir­ken zu lassen in die Gegenwart und Zukunft, engagiert und redlich, mit klaren Gedanken und ausgeprägter Iden­tität, ohne Kleinmut, aber auch ohne Überheblichkeit, das ist unsere Aufgabe, das ist der Auftrag der christlichen wie humanitären Freimaurerei, die dem Menschen dienen will, die vom Menschen ausgeht und in freier Selbstbestim­mung von friedlich miteinander verbundenen Brüdern getragen und gestaltet wird.

So ist das Johannisfest Aufruf zu ernster Arbeit am rauen Stein, der durch Läuterung und Verklärung ein Baustein am Tempel zur Ehre des großen Baumeisters werden soll.“